Andenkondor - Bruno Wägli

Bereits bei der Planung unserer Südamerika-Reise suchten meine Frau und ich nach einer Möglichkeit, Andenkondore fotografieren zu können. Es zeigte sich, dass der Colca Canyon, gelegen auf 3800 müM, ca. 3 Stunden von Arequipa entfernt, als einer der attraktivsten Orte in Peru gilt. Entsprechend bauten wir das in unsere Reiseroute ein. 

Unser Guide dämpfte unsere Erwartungen, denn Sichtungen sind keineswegs garantiert. Ich kenne das von den Bartgeiern in der Schweiz. Die Geier sind nur am Morgen nach Sonnenaufgang zu sehen, wenn sie die Thermik nutzen, um aus dem über 1000m tiefen Canyon aufzusteigen. Und tatsächlich wurden wir nicht enttäuscht. Kurz nach Sonnenaufgang sahen wir weit unten im Canyon den ersten Kondor kreisen. Ich schoss schon mal erste Belegbilder… Schon bald aber stiegen gleich mehrere Kondore auf und boten eine veritable Flugshow. 

Es ist ein unglaubliches und unvergessliches Erlebnis, den grössten flugfähigen Vögeln aus nächster Nähe zu begegnen. Die Vögel scheinen nicht menschenscheu zu sein, sie lassen sich gut mit einem 100-400mm Tele ablichten. 

Die Flügelspannweite dieser mächtigen Geier kann bis zu 3.20m betragen, ausgewachsene Männchen werden bis 15kg schwer.  Jungvögel sind bis zum 6. Lebensjahr braun, Adulte schwarz mit weissen Flügeloberkanten und weisser Halskrause. Der Schnabel ist vergleichsweise klein. Männliche Tiere bilden einen deutlich sichtbaren Kamm auf dem Schnabel. Kondore erreichen in Gefangenschaft ein Alter von bis zu 85 Jahren, in freier Wildbahn von etwa 40 Jahren.

Seine mächtigen ausgespannten Flügel ermöglichen es dem Kondor, mit nur wenigen Schwüngen hohe Geschwindigkeiten von 55 Kilometern pro Stunde aufzubauen. Durch die Winde gestützt, kann er bis zu 7000 Meter hoch fliegen. Auch die Ausdauer des Andenkondors kann sich sehen lassen. Auf Nahrungssuche können ausgewachsene Exemplare bis zu 250 Kilometer am Tag zurücklegen.

Andenkondore sind Aasfresser und ernähren sich hauptsächlich von grossen Kadavern. Sie sind monogam und nisten bevorzugt auf unzugänglichen Felsvorsprüngen. Das Weibchen legt jedes zweite Jahr in den Monaten Februar und März ein oder zwei bläulich-weisse Eier ab. Das Küken schlüpft nach 54 bis 58 Tagen Brutzeit durch beide Elternteile und ist nach 6 Monaten flugfähig. Jungvögel bleiben während etwa zwei Jahren bei ihren Eltern.

Das Verbreitungsgebiet des Kondors reicht heute vom zentralen Peru bis Feuerland. Ausserhalb der Anden bestehen kleine Vorkommen in Argentinien. In den nördlichen Andenstaaten kommen Andenkondore nur an wenigen Stellen und in geringer Zahl vor.

Kondore sind durch Abschuss, Vergiftung und Fang gefährdet. Giftköder werden ausgelegt, um Pumas oder Füchse zu töten, und vergiften auch die Kondore, die an den Kadavern fressen. Dazu kommen vielfältige Störungen am Brutplatz durch zunehmenden Trekking- und Bootstourismus. Heute wird die Gesamtpopulation des Andenkondors auf etwa 6700 reproduktionsfähige Individuen geschätzt.