Yellowstone im Winter - Bruno Wägli

Seit ich als Jugendlicher Karl Mays "Unter Geiern" gelesen habe, fasziniert mich der Yellowstone National Park in Wyoming, der älteste Nationalpark der Welt. Mehrmals war ich im Sommer und im Herbst dort, Ende Januar dieses Jahres hatte ich erstmals Gelegenheit, den Park im Winter zu besuchen. In dieser Jahreszeit ist nur ein kleiner Teil des Parks geöffnet. Dies vor allem, um die Tiere in ihrer Winterruhe nicht zu stören. Von der North Entrance aus kann man ins Lamar Valley fahren (ein Weg ca. 35 km, 4x4 SUV empfehlenswert) und auch die Mammoth Hot Springs besuchen, zum Old Faithful Geysir kommt man nur mit Raupenfahrzeugen, die regelmässig zirkulieren oder mit Fahrer gemietet werden können. Da der Park auf über 2000 müM liegt, herrschen hochwinterliche Verhältnisse mit sehr viel Schnee. Die tiefste Temperatur, die wir am frühen Morgen registrierten, betrug -32°C, tagsüber lag sie in der Regel zwischen -15°C und -20°C, wobei zusätzlich noch der Windchill-Faktor zu berücksichtigen ist. Mehrmals täglich änderte das Wetter, Schneetreiben kamen immer mal wieder vor. Nicht von ungefähr wird eine Gegend im Lamar Valley Icebox Canyon genannt. Die Nikons funktionierten auch unter diesen harschen Bedingungen einwandfrei und die Akkus hielten erstaunlicherweise einen ganzen Tag. Nebst der grossartigen Landschaft mit Bergen, Canyons und gefrorenen Seen, Flussläufen und Wasserfällen, den vielen heissen Quellen, Geysiren und Sinterterrassen bietet der Park auch im Winter sehr gute Tierbeobachtungsmöglichkeiten. Büffel sind überall zu sehen und sie nutzen gerne die wenigen geräumten Strassen, Dickhornschafe äsen an aperen Stellen, Wapitis und Elche sind vor allem im Süden anzutreffen (in der Gegend von Jackson Hole), Coyoten sind sehr häufig und wenig scheu, Weisskopfseeadler, Wölfe und Fischotter schon seltener. Ein besonderes Highlight war die Begegnung mit einem Rotluchs, hier Bobcat genannt. Die Park Ranger legen grossen Wert darauf, dass die Strassen nicht verlassen werden und die Fluchtdistanz der Tiere eingehalten wird. Fühlen sich die Tiere gestört und fliehen, verbrauchen sie sehr viel Energie, die sie in Zeiten des äusserst knappen Futterangebotes kaum ersetzen können, was für sie lebensbedrohend ist.